Schönes Bali, liebes Bali, trauriges Bali

Wir wechseln den Ort. Amed an der Nordostküste Balis ist unser Ziel für die nächsten vier Tage. Made’s Auto ist zu klein. Deshalb organisiert er einen anderen Fahrer mit einem größeren Gefährt. Auf Bali sind achtzig Prozent aller Fahrzeuge auf den Straßen Taxis. Man sieht es ihnen aber nicht an, da hier fast jeder, der ein Auto besitzt, auch gleichzeitig Taxifahrer ist. Unser Fahrer heißt Gede, ein kleiner etwas rundlicher, schielender Mann, der mir auf den ersten Blick sympatisch ist. Sein Englisch ist von vielen „Ls“ gespickt, so dass er sehr schlecht zu verstehen ist. Aber man bemerkt sofort seine zutiefst liebe Art. Im Gespräch kommen wir auf unsere Reise. Ich erzähle, wo wir überall gewesen sind, erwähne Island, Alaska und Kalifornien. Da bemerke ich sein Stirnrunzeln. Ich versuche es mit Neuseeland, aber auch hier werden seine Runzeln nicht kleiner. Etwas entschuligend sagt er, er kenne leider nur eine Insel und das sei Bali. Von Lombok habe er gehört. Er habe eine niederländische Familie zur Fähre gefahren. Und von weitem gesehen habe er diese Nachbarinsel. Einige Menschen, die wir treffen, sind auf einem ähnlichen Bildungsniveau. Hakenkreuze sehen wir einige an Eingangstüren. Ich denke, auch das hat Unwissenheit als Hintergrund. Die jüngeren Leute sind deutlich gebildeter. Schulpflicht besteht, bis man achtzehn ist.

Balinesen leben im Hier und Jetzt. Sie machen sich wenig Gedanken über das, was morgen kommt. Warum auch? Das Land ist seit je her fruchtbar. Es wachsen Reis, Mais, allerlei tropische Früchte und Kokosnüsse sowie andere Nussarten. Sie haben keine Jahreszeiten und somit immer Wärme. Ein halbes Jahr lang ist Regenzeit, ein halbes Jahr lang Trockenzeit. Die Sonne geht immer etwa zur gleichen Zeit auf und unter. Die Touristenströme, vor allem die aus Australien, werden von Jahr zu Jahr größer. Also gibt es immer mehr Menschen, die man von A nach B fahren kann bzw. denen man irgendetwas verkaufen kann.

In Amed gefällt es uns viel besser als in Seminyak. Es hat deutlich weniger Touristen, und somit ist es viel weniger hektisch auf den Straßen. In jeder Meeresbucht stehen die für Bali so typischen bunten Fischerboote mit zwei seitlichen Stützen und den lustigen, bunten Segeln, die eher wie ein Fock benutzt werden. Täglich fahren sie morgens zum Fischen raus auf das Meer. Zurück an Land werden die Fische untereinander aufgeteilt, wenn jemand nicht genügend für den eigenen Verzehr gefangen hat. So sind sie. Hilfsbereit und nicht egoistisch.

Wir mieten uns einen Bali-Scooter direkt vom Hotel. Er kostet umgerechnet vier Euro täglich. Versichert ist man nicht. Aber dieses Risiko gehen wir ein. Zuerst fahren nur Tom und ich und erkunden die Gegend. Unterwegs sehen wir einen jungen Mann, der einen Hahn in einem Bottich mit Wasser und Seife wäscht. Wir entscheiden uns, umzudrehen und uns das Ganze von Nahem anzusehen. Der Hahn, mittlerweile vor lauter Schaumbergen kaum mehr zu erkennen, scheint das Bad zu genießen. Weshalb er dies tue, wollen wir wissen. Voller Begeisterung und Stolz erzählt uns der junge Mann, dass dies ein ganz gewöhnliches Prozedere einige Tage vor einem großen Kampf sei. Das Gefieder würde dann mehr glänzen, und die Massage tue dem Hahn gut, entspanne seine Muskeln. Es komme ein wenig darauf an, wieviel Geld man besitze, aber das Startgeld würde meist zwischen ein- und zwei Millionen Rupiah liegen. Ich staune nicht schlecht, da einer der Hotelangestellten, so hat er mir erzählt, gerade einmal zweikommaeins Millionen Rupiah im Monat verdient. Er lädt uns zu einem Hahnenkampf ein. Tom ist Feuer und Flamme. Zum Glück verpassen wir ihn, da wir erst spät vom Schnorcheln bei einem untergegangenen Schiffswrack ganz in der Nähe des Hotels zurückkommen. Ich wusste zwar, dass Hahnenkämpfe ziemlich grausam sein müssen. Aber dass sie so grausam sind, wie wir nach und nach in Erfahrung bringen, nicht. Den Hähnen werden Rasierklingen an die Krallen geheftet und meistens bekommen sie eine Pille vor dem Kampf, die sie aggressiv macht. Der Kampf endet immer tödlich. Der Besitzer des Siegerhahnes bekommt den unterlegenen Hahn und meist etwas Preisgeld. Diese Hähne schmecken besonders gut, da sie besonders gute Nahrung bekämen, erzählt man uns. Wer also auf Bali „Bali Chicken“ isst, muss darauf gefasst sein, dass er oder sie einen im Hahnenkampf gestorbenen Hahn ist. Immerhin hatte der Tod dann einen Sinn. Fragen wir lieber nicht, wie es jungen Hähnchen in deutschen Mastbetrieben ergeht. Hahnenkämpfe, bei denen es um Geld geht, sind übrigens illegal, auch auf Bali. Diejenigen, bei denen kein Geld aufgewendet wir, werden mehr oder weniger geduldet. Da dies wohl selten der Fall ist, gehen die Beteiligten ein gewisses Risiko ein.

Unser Hotel ist sehr schön. Wir schwimmen täglich im Pool und gehen zum Schnorcheln an unterschiedliche Orte in der Umgebung. Inzwischen traut auch Eva sich das Rollerfahren zu. Hier ist der Verkehr nicht so stark und doch muss man höllisch aufpassen, da auch auf den engsten Straßen halsbrecherisch überholt und gefahren wird. Zudem sind die Straßen von Löchern übersäht. An manchen Stellen wurde einfach eine Ladung Bau Sand ausgeschüttet, der ein Drittel der Straßenbreite einnimmt. Momentan kommt zu allen Rußpartikeln, die von so manch altem Vehikel ausgestoßen wird, auch noch die Vulkanasche des Mount Agung. Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes ist er ausgebrochen und hat eine zwei Kilometer hohe Aschewolke mit dazugehörigen Lavaströmen produziert. Die Asche wird vom Wind in unsere Richtung geweht. Er ist so fein, dass er selbst vor den Ritzen unserer Wohnungstüre nicht halt macht. Viele fahren mit Mundschutz herum. Es ist wirklich unangenehm staubig. Die Augen haben viel zu blinzeln. Hühner und Hunde säumen den Straßenrand. Aber auch die Tiere wissen, wie sie mit der Verkehrssituation umzugehen haben.

Einige Korallen mit ihrer tierischen Umgebung, die wir unter Wasser besichtigen, sind noch intakt. Viele sind allerdings leider schon kaputt, durch die Boote, die darüber rutschen und vermutlich auch durch die vielen Taucher und Schnorchler, die manchmal auf Korallen stehen. Das größte Problem sind wohl die Abwässer, die oft ungeklärt ins Meer fließen. Auch Mikroplastik wird dazu beitragen. Aber dies ist ein Thema, zu dem ich noch komme.

Die Hotelangestellten sind alle extrem freundlich und sehr bemüht. Wir witzeln und albern viel herum, und gerade durch die Anwesenheit unserer Kinder entsteht eine besondere Beziehung. Tom’s FC Bayern Dress, das er praktisch täglich trägt, zieht sofort Blicke auf sich. Da viele Indonesier sich sehr für Fußball interessieren, sind wir schnell beim Thema. Vor allem meine Ähnlichkeit mit Jürgen Klopp hilft beim Albern sehr. Einige nennen mich Mr. Klopp. Das Finale zwischen Liverpool und Tottenham fällt genau in die Zeit unseres Besuches. Als Liverpool gewinnt, wird mir am nächsten Tag gehuldigt. Ich mache in dieser Sache jeden Spaß mit, zumal die Angestellten ihre Distanz nicht verlieren.

Auch unsere Zeit in Amed geht vorüber, und für die nächsten zwei Übernachtungen buchen wir eine Villa mit eigenem Pool in Candi Dasa, das auf der Strecke in Richtung Denpasar liegt. Auch hier leihen wir uns Scooter aus, um zur sogenannten Blue Lagoon zu fahren. Auf der etwa halbstündigen Fahrt dort hin, die übrigens noch gefährlicher ist, als alle Fahrten vorher, werden wir jäh aus allen Bali-Träumen gerissen. Rechts und links des Straßenrandes, auf Feldern, in Gärten, zwischen Bananenstauden, einfach überall liegt Müll. Plastikmüll. Er ist mittlerweile regelrecht untergegraben. Teilweise stinkt er zum Himmel, da in vielen Plastiktüten gammelnde Essensreste stecken. Vielerorts wird der Müll während der Trockenzeit einfach in das ausgetrocknete Bachbett geworfen. Die nächste Flut während der kommenden Regenzeit wird ihn schon fortspülen, werden die Menschen denken.

Wir kommen an der Blue Lagoon an, und wir empfinden es als erbärmlich. Dieser Ort ist voller Touristen. Tausende Touristen. Und tausende sich anbiedernde Einheimische, die uns gar nicht erst ankommen lassen. Sie fallen sofort über uns her und wollen uns entweder eine Bootstour oder eine Schnorchel Ausrüstung oder einen Parkplatz für den Roller verkaufen. So extrem wie hier haben wir es noch nirgends erlebt. Dabei wollen wir uns erst orientieren. Wir hatten gehört, dass es einen Ort gibt, von dem aus man zur Blue Lagoon laufen kann, um dann vom Ufer aus zu schnorcheln. Gegen einen besonders aufdringlichen Herrn wehre ich mich. Ich mache ihm klar, dass es sehr unangenehm sei, wenn man sofort belagert werde. Immerhin weist er uns etwas süffisant den Weg zum gesuchten Ort. Hier ist es einfach überall dreckig. Plastikflaschen und Plastikmüll, wo man hin schaut. Wir haben uns unter dem Namen „Blue Lagoon“ einen idyllischen Ort vorgestellt, an dem das Wasser ein wenig wie auf Tahiti ist, an dem man schnorcheln und die Seele baumeln lassen kann. Aber dem ist leider nicht so. Die Bucht wäre nicht so verkehrt, aber als wir die angeschwemmten Plastikflaschen und anderen Plastikteile am Ufer aufgetürmt sehen, wird uns ganz anders. Emma probiert es trotzdem, zu schnorcheln. Nach einiger Zeit steigt sie gefrustet aus dem Wasser und erzählt, wie unangenehm es sei, wenn ständig eine Plastiktüte an der Haut entlang gleite. Mit jeder Welle werden kleine Plastikpartikel angeschwemmt. Ein beklemmendes Gefühl macht sich bei uns allen breit.

Wir sprechen mit den Kindern über die Gefahr, die darin liege, für die Korallen, für die Meereslebewesen und schließlich für uns Menschen. Wir sprechen über Nahrungskreislauf und über den Plastikkontinent im Indischen Ozean. Wir kommen auf die Erkenntnis, dass auch wir Teil des Problems sind. Auch wir Touristen „produzieren“ in jeder Minute Tonnen von Plastikmüll. Und die Menschen auf Bali können diesen nicht bewältigen. Leider haben sie kein funktionierendes Recyclingsystem, wie es die meisten Industrieländer haben. Obwohl es unter diesen auch Schurken gibt, die den Müll zur Entsorgung einfach in Drittländer verschiffen. Auch von Deutschland hat man diese Gemeinheiten schon gehört. Die Erkenntnis, Teil des Problems zu sein, ist sehr bedrückend. Wenn man die Plastikberge hier sieht, wird man auf eine Art hoffnungslos. Man fragt sich, wie lange unsere Erde, diese Peinigungen wohl noch verkraften werde. Wir wollen weg. Wir wollen an einen Ort, der uns nicht traurig werden lässt.

Ein wenig Mut bekommen wir, als uns unserer Fahrer auf der Fahrt zum Flughafen erzählt, dass mittlerweile das Bewußtsein über die Müllproblematik wachse. Er z.B. spreche mit seinen Kindern über das Problem und er versuche sehr wohl, den recyclebaren vom restlichen Müll zu trennen. Auch die Regierung bzw. einige Kommunen hätten das Problem erkannt. Gerade vor einigen Tagen habe er mit Nachbarn und seinen und deren Kindern gemeinsam Müll gesammelt. Die Kommune habe mit australischen Geldgebern ein Programm ins Leben gerufen, bei dem für eine bestimmte Menge an gesammeltem Plastikmüll Schulbücher kostenfrei ausgegeben würden. Der Plastikmüll werde dann zu einem mit australischer Hilfe gebauten Recyclinghof gebracht. Es sei ein Prozess, fügt er hinzu, bei dem sie in Bali ganz am Anfang stünden. Dieser brauche Zeit. Und viel Unterstützung, denke ich bei mir. Gerade die reichen Länder müssten hier dringend mehr Entwicklungshilfe leisten. Zwei unterschiedlichen Fahrern erzähle ich von unserem Pfandflaschensystem. Beide können fast nicht glauben, dass es so etwas gibt und dass es funktioniert. Sie fragen mich, wie es möglich sei, eine Flasche, die ich in einem Laden gekauft habe, in einem anderen  abgeben zu können. Genau hier brauchen die armen Länder Know How. Dringend! Jetzt!

Die Kinder sind sich sicher. Sie würden nie wieder nach Bali reisen. Der Zustand des Landes und die viel zu vielen Menschen hier hat sie sehr geschockt. Mich allerdings würde sehr interessieren, ob es das Land tatsächlich schafft, sich weiter zu entwickeln. Ich fände es reizvoll, eines Tages wieder zu kehren, die vielen wohl wunderschönen Landstriche zu bereisen, die wir uns noch nicht angeschaut haben und dieselben Äcker, Wälder, Flüsse und Buchten zu sehen, die wir besucht haben, aber dann ohne Müll und Dreck.

Auf Wiedersehen Bali!

 

Hallo Bali! Hallo Massen!

Menschenmassen, Scooter, Autos überall. Wir schauen alle doch recht konsterniert aus der Wäsche, als wir vom Flughafen nach Seminyak zu unserem Hotel fahren. Die Taxifirma haut uns natürlich erst mal übers Ohr. Sechzehntausend Indonesische Rupiah sind umgerechnet ein Euro. Auf einer Liste schaut der freundliche Herr, was die Fahrt nach Seminyak kostet. Zweihundertzwanzigtausend soll die Fahrt kosten. Wir willigen ein. Später fahren wir mit einem anderen Taxi mit Taxometer für eine längere Strecke für umgerechnet fünf Euro. So jetzt rechnet mal! Damit habe ich insgeheim gerechnet. Womit ich allerdings nicht gerechnet habe, sind die Menschenmassen schon am Flughafen. Dort stehen bestimmt insgesamt 600 Menschen mit handgeschriebenen Zettelchen, zu welchem Hotel sie fahren würden. In unserem Flugzeug saßen etwa 160 Menschen. Okay, da ist noch eine andere Maschinenfüllung. Aber auch mit dieser komme ich nicht auf die Anzahl Fahrer, die da eng zusammengepresst bei gefühlten achtzig Grad Saunatemperatur warten und ihre Schildchen hochhalten. Ein Assistent der Taxifirma geleitet uns im Schneckentempo durch die Menschenmassen bis zu unserem Fahrer. Was dann folgt, habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Wir werden halbsekündlich von etwa zehn Scootern, fünf Autos und drei Lastwagen überholt, aber nicht rechts – auch hier ist grundsätzlich Linksverkehr – sondern auch von links. Das sie nicht unser Fahrzeugdach zum Überholen nutzen, ist gerade alles. Regeln gäbe es keine, erzählt uns der Taxifahrer. Aber trotzdem sehr rücksichtsvoll wird gefahren. Das Chaos scheint ein System zu haben. Man lässt andere gewähren und man erhält selbst Durchfahrt. Aufregen tut sich hier niemand über irgendetwas. Trotz der scheinbaren Hektik sind alle ganz relaxed.

Das Hotel in Seminyak haben die Kinder aussuchen dürfen. Es ist ganz nett. Etwas in die Jahre gekommen, aber der Poolbereich sehr schön mit direktem Zugang zur Beach. Nicht zu viele Worte hierrüber. Nur soviel, dass man am angrenzenden Strand nicht alleine ist. Strandliegen und Sonnenschirme soweit das Auge reicht. Massenhaft Menschen mit Drinks in der Hand, die sich in den mit Styropor gefüllten Strandsäcken räkeln. Ein paar weniger Indonesier, die alles mögliche offerieren möchten. Wir stehen nur kurz da, um uns den Strand anzusehen, da sollen wir schon massiert werden, einen Surf Kurs machen, Chicken Satay essen, einen Kokosnussdrink zu uns nehmen und Plastikspielzeug für Tom kaufen. So etwas habe ich in den besten Türkeizeiten nicht erlebt. Interessant ist der erste Abend, als wir versuchen, ein Restaurant zu finden, in dem wir unser Abendessen einnehmen können. Praktisch sekündlich hupen Autofahrer, die „Taxi!“ rufen. Es ist ein wahrer Spießrutenlauf auf den schmalen Trottoirs. Kleine „Warungs“ hat es hier, in denen auf engstem Raum das Essen vorbereitet wird, aber auch größere Restaurants, die deutlich mehr Durchlauf haben. Aus Hygienegründen sollte man diese wählen. In den kleinen Warungs gibt es oft kein fließendes Wasser. Das Geschirr wird in Bottichen abgewaschen, die je nach dem auch mal einen Tag lang in der Wärme stehen. Das Wasser, das hier aus dem Hahn kommt, sollte man nicht trinken. Manche empfehlen sogar, kein Obst oder kein Salat zu essen, da es mit diesem Wasser abgewaschen wird.

Vor vierzig Jahren, erzählt uns Made, unser privater Fahrer, mit dem wir eine Sightseeing Tour unternehmen, wohnten auf Bali etwa eineinhalb Millionen Menschen. Heute sind es viereinhalb. Mit den Touristen kommen immer mehr Menschen überwiegend aus Java. Wir bemerken einen deutlichen Unterschied zwischen der ursprünglich balinesischen Bevölkerung und den Menschen aus Java. Sicher sollte man nicht alle über einen Kamm scheren. Doch wir bemerken, dass die Herzlichkeit der Balinesen mehr von innen kommt. Das hat sicher mit Ihrem hinduistischen Glauben zu tun. Sie glauben an die Wiedergeburt als Tier und an ihr Karma. Nur wer zu anderen gut ist, erlebt selbst Gutes. Teil des Lebens ist es, sich ein positives Karma zu erarbeiten. Es ist wie ein Konto. Je mehr man auf der Habenseite hat, desto besser für das eigene Leben. Jedoch glauben sie nicht an einen Zusammenhang zwischen Karma und Status. Man könne auf eine Wiedergeburt als angesehenes Tier hoffen, aber es sei niemals eine Garantie, auch wenn man denke, dass eigene Karma sei sehr positiv, so erklärt uns Made. Wie bei jeder Religion geht es darum, an was man glaubt. Die Balinesen sind wirklich sehr lieb. Die Masseurin am Strand, eine ältere Frau, die bis zum Sonnenuntergang dort ist, massiert mich für umgerechnet sieben Euro eine Stunde lang, obwohl die Sonne schon längst untergegangen ist. Zum Schluss streichelt sie mich liebevoll durchs Haar, wünscht mir einen guten Abend und viel Glück. Im Hotel werden wir stets von jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin freundlichst begrüßt. Aber sie sind immer sehr zurückhaltend, niemals aufdringlich. Anders die Männer an den Ständen in der Stadt. Sie sind nur vordergründig freundlich. Im Hintergrund ist ihr einziger Grund, dich anzusprechen, etwas verkaufen zu können. Die meisten von ihnen seien aus Java, erzählt mir Made. Java ist überwiegend muslimisch. Schon auf Lombok soll man einen Unterschied zu Bali bemerken, erzählen uns Menschen, die schon einmal dort waren. Auch an den Bars und Restaurants ist es so. Die Restaurants, in denen wir uns wirklich wohl fühlen, sind diejenigen, bei denen niemand am Eingang steht und versucht, uns hineinzuziehen. Um es klar zu stellen, ich will damit nicht behaupten, dass Muslime grundsätzlich unfreundlich und Hindus freundlich sind. Ich möchte nur sagen, dass es hier tendenziell von unterschiedlichen Religionen geprägte Menschen gibt. Natürlich prägt auch die Lebenssituation. Wenn ich täglich ums Überleben kämpfen muss, da ich zu Hause mit durchschnittlich 150 Euro monatlich eine Familie mit zwei oder mehr Kindern und die eigenen Eltern zu versorgen habe und der Konkurrenzkampf auf der Straße extrem ist, dann macht das etwas mit mir. Manch ein Zugewanderter aus Java hat es da vielleicht noch eine Ecke schwerer als ein Einheimischer, könnte ich mir vorstellen.

Das Essen hier ist ein Genuss. Auch wenn das unsere Kinder vielleicht nicht unterschreiben würden. „Chicken Satay“, „Nasi oder Mie Goreng“, „Nasi Campur“, „Padang“, „Sate“ und wie die Gerichte alle heißen. Eines schmackhafter als das andere. Zitronengras, Ingwer, Lauchzwiebeln, grüne Bohnen und natürlich Fleisch, oft am Spieß in Flammen gegrillt und Reis oder Asia Nudeln sind die wichtigsten Zutaten. Oh, eines hab ich vergessen: Chilischoten! Wenn man zu viel davon erwischt, gehen die Lichter aus. Man beginnt nach Luft zu schnappen, hyperventiliert und fällt fast in Ohnmacht. Alles brennt. Man schmeckt keine anderen Zutaten mehr. Mit etwas Glück bekommt man ein wenig Milch zum Löschen. Oft ist es nur die europäische Variante, die man serviert bekommt. Die Indonesier essen den Chili manchmal als Snack zwischendurch wie unsereins den Schokoriegel. Unfassbar!

In Seminyak verbringen wir den Tag meist mit Schwimmen und Tauchen im Pool oder mit Wellenreiten. Endlich finde ich das zu mir passende Board. Die Anfängerboards aus Styropor mit einer weichen Gummischicht überzogen, sind träge, schwer und halten die Spur nicht, da die drei kleinen Finnen hinten aus Gummi sind. Ich leihe mir ein Board aus, das aus Fieberglas gemacht ist. Es ist viel leichter, stabiler und vor allem schneller! Die Kosten sind praktisch gleich null. Für drei Stunden bezahle ich 100000 Rupiah. Also gut, ich rechne für den Leser. Es sind rund 6 Euro. Zwei bis drei Meter hohe Wellen brechen etwa einhundert Meter vor dem Ufer. Ein ums andere mal erwische ich den falschen Startpunkt und die Welle bricht direkt über mir. Es fühlt sich an wie in einer riesigen Waschmaschine. Ich bin die Wäsche und werde geschleudert. Ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. Nun heißt es Luft anhalten und warten bis mich die Welle wieder ausspuckt. Es ist wie eine Sucht. Ich muss es immer wieder probieren. Ich will endlich dieses Gefühl des Gleitens bekommen. Und da kommt sie, die Welle, die genau zu mir passt. Sie bricht noch etwas weiter draußen und baut sich nun nochmals zu einer „humanen“ Welle auf. Ich liege auf dem Bauch, paddle mit den Händen, um Geschwindigkeit aufzubauen, drücke zuerst meinen Oberkörper in den Stütz und versuche so schnell wie möglich mit den Füßen auf das Brett zu kommen. Und nun stehe ich. Die Welle drückt mich vor sich her. Ich stelle das Board etwas schräg zur Welle. Und ich gleite und gleite und gleite. Es ist ähnlich wie Tiefschneefahren aber noch etwas besser, weil da eine Kraft hinter mir ist, die mich schiebt. Ich genieße die Sekunden. Es könnte noch viel länger gehen, doch schon spuckt mich die Welle am Ufer aus. Ich lasse mich ins Wasser fallen und schreie meine Freude lauthals heraus. Sorry … ein echt geiles Gefühl.

Big, bigger, Australia

Es ist schon wirklich riesig, dieses Land. Wir haben uns nicht viele Gedanken gemacht im Vorfeld, als wir uns entschieden haben, Australien zu besuchen. Genau das Wort „besuchen“ ist, glaube ich, das Problem. Man kann Australien nicht besuchen. Mal so eben für vier Wochen und ein paar Tage. Man muss Australien bereisen. Wir versuchen das, in der Zeit, die wir haben. Wir haben vorausahnend, wie riesig das Land sein könnte, ein Wohnmobil für die Strecke von Sydney nach Brisbane gemietet. Dies sind nur etwas mehr als 900 km, führe man sie schnurstracks auf dem Highway Number One (M1). Man könnte locker in zwei Tagen dort sein. Wir fahren jedoch zickzack, mal in die Blue Mountains, die im Hinterland von Sydney liegen, dann zurück zur Küste, ein Stückchen an der Küste entlang, dann wieder ins Hinterland, wieder an der Küste entlang und so weiter. Und irgendwie haben wir den Eindruck, das richtige Australien nie gesehen zu haben.

Die Bilder vom Ayers Rock, bzw. dem Uluru, wie er seit wenigen Jahren in der Sprache der Aborigines wieder heißt, dem roten Steppensand, dem Outback und den wilden Küsten im Westen haben wir im Kopf. All das können wir nicht sehen, weil wir immer nur kurze Distanzen fahren. Wir wollen nicht zu viel im Fahrzeug sitzen. Das wollen wir weder den Kindern noch uns zumuten. Selbst wenn wir es wollten, die Tage sind kurz. Um halb fünf ist es schon fast dunkel. Und wir sind als fünfköpfige Familie wieder einmal träge. Wir schaffen gerade so den Check Out, der auf den größeren Campingplätzen um 10.00 Uhr ist. Da, wo wir denken, dass sie mit dem Überziehen großzügiger sind, bleiben wir meist bis halb elf. Spätestens um 13.00 Uhr kommt der große Hunger. Dann heißt es, Pause einlegen! Sonst könnte ja jemand verhungern. Endlos Platz bietet der Kühlschrank nicht, daher ist spätestens alle drei Tage Einkaufen angesagt. Geht also nochmals Zeit drauf. Wir kommen also nicht so recht voran. Gut, dass wir nicht mehr Strecke eingeplant haben. Und die Strecken, die wirklich interessant wären, weil sie vor allem Noah’s und meinen Vorstellungen vom ‚im Outback reisen‘ mehr entsprechen würden, können wir mit unserem Fahrzeug sowieso nicht fahren. An viele besondere Stellen kommt man nur mit einem Offroader mit Allradantrieb. Die meisten Australier haben ähnlich wie die Alaskaner einen Pickup Truck. Wenn sie Australien bereisen, ziehen sie oft einen Caravan hinterher, der nicht minder geländegängig ist. Große Profilräder, vollgefedert und „self contained“ für mindestens eine Woche. Oder sie haben auf dem Dach ihres Pickup Trucks ein ausfaltbares Zelt.

Wir bekommen lediglich einen Eindruck von der Ostküste. Sicher, auch ein Teil Australiens, aber eben anders, als wir uns Australien vorgestellt haben. Eine Idee davon, wie wild Australien sein kann, bekommen wir auf unseren Abstechern in Richtung Landesinnere. Wir fahren auf sich windenden Straßen auf ein Hochplateau, von dem aus unzählige Bäche und Flüsse zu Tale stürzen. Die Tief eingeschnittenen Täler kommen so abrupt, dass man an vielen Stellen einfach abstürzen würde, liefe man nachts ohne Licht. Denkt man sich die Wälder weg, erinnert die Landschaft ein wenig an den Grand Canyon. Die Wasserläufe haben sich über die Jahrmillionen tief in den Lehmstein gefressen und so die Schluchten entstehen lassen. Leider ist dieses Jahr das trockenste seit fünfzig Jahren. Somit sind Wassermengen überschaubar.

Kängurus und Wallabys sieht man hier oben zuhauf. Einerseits leben sie in den Wäldern, andererseits teilen sie sich das Farmland mit Rindern und Schafen. Farmen gibt es hier oben viele, öffentliche Wege sind dagegen Fehlanzeige. Möchte man sich ein wenig bewegen, bleiben einem nur einige gut angelegte Trails in den Nationalparks. Koalas gibt es hier oben zwar auch, aber nicht mehr so viele. Wieder an der Küste angekommen, besuchen wir ein Koala-Krankenhaus, das einzige in dieser Art in ganz Australien. Koalas kommen übrigens nur in den Eukalyptuswäldern des Südens und des Ostens vor. Sie sind ultrasüß. Man könnte sie einfach knuddeln. Bei vielen anderen Tierarten ist es oft so, dass insbesondere die Jungtiere so „süß“ sind. Bei den Koalas sind sie als erwachsene Tiere immer noch genau so knuffig. Auch dies macht sie zu so wundervollen Tieren. Bei all unseren Spaziergängen sehen wir leider nie welche in freier Natur. Sie sind sehr scheu. In den Tierparks leben meist ehemals oder noch immer kranke Tiere, die sich in der Natur nicht mehr zurecht finden würden. Man kann hier sehr gut von Nahem betrachten. Im Koala-Krankenhaus können wir sogar bei der Untersuchung eines frisch eingetroffenen Koalas zuschauen. Dem Armen ging es gar nicht gut. Oft leiden sie unter einer Infektionskrankheit. Chlamydien sind die Erreger, die sich bei gestressten Tieren eher ausbreiten und übertragen. Der Stress resultiert auch aus dem immer kleiner werdenden Lebensraum, der die Tiere immer näher zusammen kommen lässt. Farmland scheint auch hier über allem zu stehen. Außerdem steigt die Einwohnerzahl durch einen hohen Zuzug aus Asien stetig an, sodass der Lebensraum der Koalas von zunehmendem Bauland eingenommen wird. Schade.          (unter den Fotos geht’s weiter)

Die Küstenabschnitte sind schön. Eine Bay folgt der nächsten. Je weiter wir nach Norden kommen, desto schöner werden die Buchten. Emma, Noah und ich versuchen uns am Wellenreiten. Gar nicht so einfach, und die Kinder lernen mittlerweile schneller als ihr älter und stetig ungelenkiger werdender Vater. Nach vier Stunden und unzähligen „Schleudergängen“ haben auch die Kinder genug. Es macht aber einen Heidenspaß. Wenn mir nur ein guter Versuch gelingt, ist für mich der Tag ein guter.

Sehr interessant ist hier sie Vogelwelt. Gleich am ersten Tag begegnen wir einem australischen Ibis. Schwärme von Gelbfächerkakadus, Rabenkakadus und Rosakakadus fliegen über unsere Köpfe hinweg und landen auf der nächsten grünen Wiese gleich neben uns. Regenbogenlorise sind so wunderschön bunt und treffen sich im Morgengrauen und in der Abenddämmerung mancherorts  zu Hunderten in einem Baum und machen einen ohrenbetäubenden Lärm. Kookaburras, auch „Lachender Hans“ genannt, lachen einen morgens früh förmlich aus dem Bett. Es hört sich wirklich sehr ulkig an. Spitzschopftauben, Gartenfächerschwänze, die australische Version des Fantails, Weißbauchseeadler, listige Flötenvögel und Brushturkeys, die einem allmorgendlich alles essbare vom Tisch stehlen, wenn man mal nicht hinschaut. Eine ganz besondere Begegnung haben wir auf einer Wanderung durch den trockenen Regenwald gemacht, als wir einen Lyrebird zu Gesicht bekommen haben. Er hat einen ähnlichen Fächerschwanz wie ein Pfau und wird mittlerweile nur noch sehr selten angetroffen. Ich könnte hier noch viele weitere tolle Vogelarten aufzählen, möchte aber keinesfalls damit langweilen. Ich selbst bin auch kein Hobbyornithologe. Obwohl es mir tatsächlich große Freude bereitet, wenn ich wieder eine neue, mir unbekannte Art entdecke.

Mit Schlangen oder anderen eher unpopulären Arten sind wir bisher leider nur im Tierpark in Kontakt gekommen. Eine schöne Schlange hätte ich gerne mal in freier Natur entdeckt. Beim Joggen passe ich immer höllisch auf, dass ich nicht im halbdunkeln auf eine Giftschlange trete. Mit Stöcken bewaffnet renne ich durch den Wald. Dafür haben die Kinder einen etwa 70 cm langen Drachen auf einem Felsen in der Byron Bay entdeckt. Schön ein solches Urtier, das es wahrscheinlich schon seit Millionen von Jahren so oder so ähnlich gibt, aus der Nähe betrachten zu können.

Morgen geht es in den Australien Zoo. Wir alle sind schon sehr gespannt, was es dort alles zu entdecken gibt. Manchen ist vielleicht „Krokodile Hunter“ ein Begriff. Steve Irwin, so sein richtiger Name, war ein australischer Dokumentarfilmer, Abenteurer und Zoodirektor und wurde 2006 bei Unterwasseraufnahmen von einem Stachelrochen ins Herz gestochen. Ein interessanter Typ und eine dramatische Geschichte, die da passiert ist. Lohnt sich, nach ihm zu go…eln. Heute führt seine Frau den Zoo weiter.

Hello Sydney, Good day Australia

Poff! Da sind wir! Poff! da ist es, dieses riesige Land. Wir sind schon ein wenig geschockt am Anfang. Unsere Unterkunft liegt recht nah am Zentrum von Sydney, denken wir. Aber weit gefehlt. Wir fahren eine halbe Stunde mit der S-Bahn, um ins Getümmel zu kommen. Und wirklich, unglaubliches Getümmel. Irgendjemand in Neuseeland hat uns gesagt: „Ja, Australien, da schlagen die Uhren schneller als bei uns. Ihr werdet es gleich merken. Alles geht schneller. Sie laufen schneller. Sie fahren schneller Auto. Sie machen alles schneller.“ Und tatsächlich, wie recht er hat. Es ist ANSAC-Day. Sie gedenken der Toten, die an den vergangenen Kriegsschauplätzen zusammen mit neuseeländischen Soldaten gefallen sind. Und sie ehren diejenigen Militärs, die in der Vergangenheit für ihr Land im Einsatz waren oder es gegenwärtig noch sind. Die Bars und Restaurants sind voll von Männern und Frauen, die Anzüge mit Abzeichen tragen. Sydney ist voll von Menschen. Alles, was laufen kann, ist auf den Beinen. Und alles, was nicht laufen kann, wird geschoben.

Dennoch ist die Stadt ganz schön, mit ihren Wahrzeichen wie der Oper oder der Harbour Bridge. Die Stadt ist an das Wasser gebaut. Ihre knapp fünf Millionen Bewohner erfreuen sich Stränden mitten in der Stadt. Wir fahren mit der Fähre zu einem dieser Stadtteile. In Manly angekommen genießen wir die Abendsonne. Äh Moment mal. Was heißt hier Abend. Es ist halb fünf. Verdammt früh wird es hier jetzt schon dämmrig. Wir spüren deutlich, dass wir weiter im Norden sind. Je weiter wir später nördlich kommen, desto mehr werden wir dies merken.

Als wir die Fähre zurück zum Harbour nehmen wollen, wird schlagartig das Gate geschlossen. Alle müssen schleunigst den Bereich verlassen. Wir wissen zunächst nicht weshalb. Wir müssen den Bus nehmen, um zurück zu kommen. Später erfahren wir, dass es eine Bombendrohung gab. Deshalb, sind wohl so viele Polizisten auf der Fähre herum gesprungen. Sie werden nach Sprengstoff gesucht haben. Ja, auch das ist Sydney. Nach den Anschlägen von Christchurch und Sri Lanka, ist man hier sehr achtsam geworden. Zurück in unserer Unterkunft wollen wir zum nächsten Einkaufszentrum laufen. Wie furchtbar. Ein LKW am anderen donnert an uns vorbei. Es ist fürchterlich laut, dreckig und staubig. Und wieder einmal gilt: Wenn keiner läuft … Vollmers laufen. Zum Glück können wir uns unterwegs in einem Schnellrestaurant stärken. Der Neuseeländer sollte recht behalten. Es geht alles ziemlich viel schneller hier.

Und dennoch nehmen sich die Menschen Zeit, um zu helfen. Ein älterer Herr, erklärt uns ausführlich und mit viel Freude, wie wir am besten die Stadt besichtigen können, unterbricht dafür seine Arbeit und geht mit uns zusammen zum Bahnhof, um uns das Kartensystem genau zu erklären. Er mache in seiner Freizeit Stadtführungen und würde am liebsten mit uns in die Stadt kommen, um uns alles zu zeigen. Ein junger Herr am Bahnsteig erkennt, dass wir Deutsche sind und spricht uns in gebrochenem Deutsch an, als er bemerkt, dass wir uns nicht ganz sicher sind, auf welchem Gleis unser Zug kommt. Er freut sich riesig, mit uns deutsch sprechen zu können. Er komme ursprünglich aus der Türkei und habe ein Jahr in Deutschland gelebt. Ganz alleine sei er mit zweiundzwanzig nach Australien immigriert. Diese Erfahrungen von sehr freundlichen Menschen werden wir auch hier in Australien noch öfters machen. Ob das vielleiht an uns liegt, frage ich mich manchmal 😉

 

Seeya Aotearoa – Auf Wiedersehen Neuseeland

Nun ist sie vorbei, die schöne Zeit in Neuseeland. Und ich möchte neben der grandiosen Natur, die ich Euch mehrfach in meinen Berichten näher gebracht habe, und neben den vielen wunderbaren Menschen, die wir kennengelernt haben und neben dem unendlich großen Aufwand, den Neuseeland betreibt, um junge Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen, rückblickend drei weitere wesentliche Dinge herausgreifen:

Die Verschmelzung der beiden Kulturen, nämlich der der Maori und der der europäischen Siedler ist für mich wohl das Bemerkenswerteste, was ich aus Neuseeland mitnehme. Die maorische Kultur ist allgegenwärtig. Beschriftungen und Beschreibungen beispielsweise an Informationstafeln sind meist in beiden Sprachen zu finden. Ich glaube, es gibt kaum einen Neuseeländer, der nicht einige Worte oder Sätze in maorischer Sprache spricht oder zumindest versteht. Maorisch wird wahlweise an den meisten Colleges oder Highschools angeboten. Es findet auf eine natürliche und spielerische Art aber schon in der Primary School Eingang in den Schulalltag. Selbst Tom und Emma sprechen und verstehen nun einige Worte maorisch. In Museen werden immer beide Geschichten dargestellt: die der Maori, die irgendwann in Booten aus Polynesien herübergerudert sind. Was übrigens noch gar nicht so lange her ist. Ihre Existenz ist vermutlich nicht älter als etwa 800 Jahre. Und die der europäischen Siedler, die vor etwa 230 Jahren, etwa 150 Jahre nach der Entdeckung durch den Niederländer Abel Tasman, begannen, die Inseln zu besiedeln. Schon während der Grundschule wird großen Wert darauf gelegt, dass die Kinder etwas über die maorische Kultur erfahren. Emma und Tom waren mit ihren Klassen zu Besuch bei einer maorischen Versammlungsstätte, einem Marae, und im dazugehörigen Versammlungshaus, einem Te Wharenui. Noahs Schule hat seinen eigenen Haka, die traditionelle Tanzart der Maori, geschrieben und einstudiert. Dieser wird von der gesamten Schülerschaft zu gegebenen Anlässen vorgetragen, was sehr beindruckend und ein Zeichen der Anerkennung der maorischen Kultur darstellt. Das Miteinander der Kulturen wirkt nicht erzwungen oder gekünstelt, sondern natürlich und selbstverständlich. Ein derartiger Umgang mit einem Naturvolk sucht auf unserer Erde vermutlich seines Gleichen.

Das zweite, was bleibt, ist die Sauberkeit. Ich habe noch kein Land gesehen, was so sauber ist wie Neuseeland. Wie man mit der Natur umzugehen hat, wird jedem, den Fremden und den Einheimischen, vielerorts vermittelt, wie anderswo das Schuhe ausziehen, bevor man das Haus betritt. Es sind kaum Verbotsschilder angebracht, sondern Aufklärungstafeln über bedrohte Tierarten, die es zu bewundern gibt, oder seltene Pflanzenarten und was die Auswirkungen sind, wenn man unvorsichtig mit der Natur umgeht. Vor jedem Eintritt in ein Naturreservat oder in einen Nationalpark wird man dazu aufgefordert, jenes wieder mit hinaus zu nehmen, was man hinein getragen hat. Und dies wird von (fast) allen sehr ernst genommen. Wahrscheinlich liegt es an der Schönheit der Natur. Man kann einfach nicht anders. Wir haben auf Wanderungen nie irgendwelche Verpackungen oder Papiertaschentücher im Wald entdeckt. Was sehr hilft, sind die in regelmäßigen Abständen aufgestellten Toilettenhäuschen.

Das dritte, was ich bemerkenswert finde, ist die Sicherheit, die ich gespürt habe. Ich habe mich in Neuseeland immer sicher gefühlt. Nicht weil es keine bedrohlichen wilden Tierarten gibt, sondern weil es einfach so gut wie keine Gewalt oder keinen Diebstahl gibt. Wir hatten fast täglich die Hintertür zu unserem Haus auf. Es hätte jeder raus und rein gehen können. Aber in Neuseeland macht man das nicht. Niemand schließt seine Garage ab. Fast niemand schließt sein Auto ab. Wir haben ein manches mal Autos gesehen, die offen waren und der Schlüssel auf dem Beifahrersitz lag. Irgendwie bekommt man es auch als Fremder mit. Die Regel liegt in der Luft und wird von allen akzeptiert und angenommen: Man fasst nichts an, was einem nicht gehört, und sei es noch so verlockend. Natürlich gibt es Ausnahmen. Wir haben auch Schilder gelesen, auf denen stand: „Lock it or loose it!“ Also hat es wohl auch in Neuseeland schon Diebstahl gegeben. Jedoch bestätigen die Ausnahmen ja bekanntlich die Regel. Auch das Attentat von Christchurch ändert meine Sichtweise nicht.

Es bleiben auch zwei kleinere Wehrmutstropfen:

Was ich sehr vermisst habe, war die Freiheit, einfach überall hinlaufen zu können. Es ist in Neuseeland nicht möglich, einen Wald zu betreten, oder einen Berg zu besteigen ohne auf irgendwelche Begrenzungen meistens in Form von Zäunen zu stoßen. „Privat Property“ ist hier das Schlagwort. Farmland ist einfach überall. Nur nicht auf den wunderschön hergerichteten Trails für Wanderer oder Mountainbiker. Wirklich frei habe ich mich nur während meiner Kayaktour auf dem Meer gefühlt und beim Joggen am Strand.

Ich möchte nicht erst irgendwo hinfahren müssen, um in der Natur spazieren zu gehen. Das liebe ich an Deutschland so sehr. Gut, ich lebe nicht in der Stadt. Da ist es sicher etwas anders. Wenn ich durch unsere Haustüre zu Hause nach draußen trete, kann ich hunderte von Kilometern weit laufen und aus hunderten verschiedenen Wegen wählen. Ich kann auf Ackerwegen, im Weinberg, auf ausgeschilderten Wanderwegen oder auf Holzabfuhrwegen laufen. Irgendwo gibt es immer einen Verbindungsweg, der mich weiter bringt. Das ist ein unschätzbarer Wert. Das ist Freiheit pur! Danke Deutschland!

Eine weitere Sache, die ich als nicht so schön empfunden habe, war die Art, wie in Neuseeland Forstwirtschaft betrieben wird. Grundsätzlich fallen erstmal immer mehr natürliche Waldflächen (native forest) kommerziell beforsteten Waldflächen und Farmland für Schafs- und Rinderzucht zum Opfer. Neuseeland hat große Flächen privatisieren lassen. Der chinesische Markt lechzt nach Milch, Rind- und Schafsfleisch und eben auch nach Holz als Baumaterial. Aber natürlich auch Neuseeland selbst braucht den Rohstoff Holz. Auch deshalb, weil die Einwohnerzahlen steigend sind. Sehr viele Menschen aus Asien migrieren. Vielerorts hat man das Gefühl, man ist in Asien und nicht in Neuseeland. Dies will ich nicht kritisieren, aber die Art, wie ganze Bergflanken kahl geschlagen werden, um dann als ganze Fläche überwiegend mit Pinien wieder aufgeforstet zu werden. Es gibt einfach kein schönes Bild ab, wenn neben natürlichen chaotisch wachsenden Wäldern wie an der Linie gezogen, Pinien exakt in Reih und Glied stehen und man die Grenze dieser Waldflächen so furchtbar deutlich sieht. Bitte liebe Neuseeländer, lasst Euch zeigen, wie man auch sanfter wieder aufforsten kann! Die Touristen werden es Euch danken. Unter anderem eben diese natürlichen Wälder sind es, warum wir Euer Land so gerne besuchen!

Alles in allem ist Neuseeland ein supertolles Land. Facettenreich, abwechslungsreich, reich an gewaltiger Natur und liebenswerten Menschen. Nie ist es weit bis zur nächsten Küste oder zu den nächsten Bergen. Ein Land, in dem es sich zu leben lohnen würde. Vielleicht irgendwann einmal. Wer weiß. „Seeya Aotearoa!“

Spielplätze, Skateparks und Rasenplätze in Neuseeland – einfach sahne!

„Sie haben halt einfach viel Platz“, könnte man sagen, wenn man es sich einfach machte. Der Reihe nach. Mit diesem Beitrag möchte ich einerseits mit ein paar Fotos zeigen, wie schön Spielplätze und Skateparks in Neuseeland gestaltet werden. Es ist wirklich eine Pracht. Und dies ist nicht ausnahmsweise an den Orten gewesen, an denen ich die Fotos geschossen habe. Nein, es ist Standard. Und es ist ein extrem hoher Standard. Natürlich mit kleinen Unterschieden. Jedem Spielplatz wird in Neuseeland auch noch eine öffentliche Toilette bereit gestellt. Die Skateparks sind an Einfallsreichtum ebenfalls kaum zu überbieten, genial gemacht und super gepflegt. Jung und alt haben wir gemeinsam Skateboard, Trickroller oder Trickbike fahren sehen. Riesige Rasen- und Spielflächen werden gepflegt. Nicht nur dort, wo vereinsmäßig Rugby, Cricket oder Fußball gespielt wird, sondern auch sonst in Parks oder auf Brachflächen oder auf Schulgeländen.

Andererseits möchte ich zeigen, wie viel Geld in Neuseeland in die Hand genommen wird, um jungen Menschen etwas zu bieten. Dazu zähle ich einerseits die Schulen, mit ihren großen, vielfältig nutzbaren Flächen, und ihren einsa ausgestatteten Schulzimmern. Andererseits sind es die erwähnten Spielplätze und Skateparks. Ich weiß nicht, wie es dieses kleine Land hinbekommt, aber ich bin sicher, es nimmt verdammt viel Geld dafür in die Hand.

Schlussendlich möchte ich mein Unverständnis darüber ausdrücken, wie viele Kommunen in einem reichen Land wie Deutschland es nicht schaffen, der Jugend auch nur annähernd so viel zu bieten wie Neuseeland. Und selbst reiche Kommunen oder Städte wie Weil am Rhein mit viel Industrie und hohen Steuereinnahmen verstehen es nicht, Kindern und Jugendlichen ein vergleichbares Angebot zu schaffen. Ich meine nicht die Unterstützung der Vereine mit ihren Sportstätten. Hier gibt es hüben wie drüben Unterstützung. Ich meine das, was den Kindern und Jugendlichen und wie erwähnt den Erwachsenen zur Verfügung gestellt wird, die nicht in Vereinen Sport treiben oder daneben ihre Freizeit weiter gestalten möchten. Wenn ich an meinen Wohnort Haltingen denke, kommt mir der Gedanke an das Gelände, auf dem der „Sägischopf“ steht. Wenn ich an die Zeit denke, bevor Flüchtlinge diesen Platz bevölkerten, kommt mir das kalte Grausen. Lieblos, einfallslos, trostlos!!!

Und manchmal sehe ich die Verhältnismäßigkeit nicht. In der gleichen Stadt werden zehntausende Euro ausgegeben, um umgesiedelten Echsen eine neue Heimat zu geben. Ja, auch wichtig. Aber mitten auf diesem Platz hätte ein schöner Skatepark gebaut gehört. Mit etwas Abstand hätte man außen herum die Echsen platzieren können. Zur Anlage dazu eine schön gestaltete Toilette, damit die Nutzer beim Pipi machen im Gebüsch nicht jedes mal die Echsen aufscheuchen. Wo gibt’s denn sowas?! Wenn man mit seinem Kind, wenn es gerade mal muss, nicht wieder nach Hause laufen will, muss man in die Büsche, falls es überhaupt welche hat. Dabei wird man dann von den Anwohnern oder von anderen Spielplatzbesuchern spröde angeschaut.

Wir haben zwar weniger Platz als NZ aber immer noch genügend. Da die Ortschaften Weil am Rheins immer mehr zusammenwachsen, hoffe ich nur, dass man dabei nicht nur daran denkt, der Firma Vitra genügend Platz zum Expandieren zur Verfügung zu stellen, sondern auch daran, unseren Kindern, Jugendlichen und Familien, Räume zur Freizeitgestaltung zur Verfügung zu stellen. Mit den Eltern in den Weinbergen spazieren gehen ist schön, aber oft nicht das, was sich Kinder und Jugendlichen sich heute wünschen. Es braucht anderes. Und ja, das kostet Geld. Vor allem, wenn man es nachhaltig anginge. Aber es würde sich in vielerlei Hinsicht lohnen. Und das Geld wäre bestimmt da. Einfach ein wenig umschichten, oder bei den großen Firmen anfragen. Die sind für Spenden immer zu haben. Die können sie sicher steuerlich absetzen!

Da wir nun schon in Australien angekommen sind – ich bin ja immer drei Wochen hinten dran mit dem Berichten – kann ich sagen: Auch in Australien sind solche Spiel- und Sportstätten standard. Wunderschöne Skateparks und Spielplätze. Oh, wie gerne hätte ich das auch für meine Kinder zu Hause. Noah liegt mir schon ständig in den Ohren mit seinen Ideen. „Papa, man könnte doch neben dem Bolzplatz…“, „oder neben der Schule im Unterdorf“, „und warum ist der Platz dort eingezäunt? Den könnte man doch auch sonst nutzen, wenn kein Unterricht ist. Das geht doch in NZ auch“. Ich hoffe, ich kann irgendetwas tun für ihn, wenn wir zurück sind.

 

Tongariro Crossing – Auf dem Rücken des Vulkans

Mittlerweile haben wir unser geliebtes Nelson verlassen und uns via Fähre wieder auf die Nordinsel begeben. In einigen Tagen werden wir in Auckland sein und unseren geliebten Wagen verkaufen. Bis dahin versuchen wir noch einige schöne Ecken auf der Nordinsel mit zu nehmen. Da das Wetter stabil schön sein soll, haben wir uns vorgenommen, im Zentrum der Insel das Tongariro Alpine Crossing zu machen. Die Wanderung zum Tongariro Vulkan und dem anschließenden Abstieg zählt zu den Great Walks Neuseelands. Wir mieten uns im sogenannten Base Camp bzw. im dazugehörigen Holidapark in einer kleinen Hütte mit sechs Betten ein. Sonst gibt es nichts. Nur die Betten. Wir frieren kräftig in der Nacht vor unserem Start. Da wir auf über eintausend Metern Höhe sind und es mittlerweile Herbst ist, gehen die Temperaturen auf minus fünf Grad herunter. Um 5.45 Uhr stehen wir auf. Eine dreiviertel Stunde später holt uns der Bus ab und bringt uns zum Mangatepopo Valley. Mittlerweile ist die Temperatur auf warme minus 2 Grad angestiegen. Mit uns begeben sich einige andere Leute auf den Weg. An einigen Tagen im Jahr steigt die Anzahl der Wanderer auch schon mal auf drei- bis viertausend Menschen, die wie an eine Perlenkette gereiht hintereinander her laufen. Viele sind heute vermutlich durch die Eiseskälte abgeschreckt und haben schlichtweg nicht die richtige Kleidung dabei. Auch Eva hat sich selbst, Emma und Tom beim letzten Second Hand Shop noch aus Angst vor Frostbeulen mit warmen Westen eingedeckt.

Anfänglich frieren wir noch etwas. Tom entdeckt einen kleinen Wasserlauf, dessen Oberfläche vereist ist. Er bricht sich ein Eiskristall ab. Je weiter wir laufen auf dem zunächst eher flachen Weg laufen, desto wärmer wird uns. Als wir an den ersten großen Anstieg kommen, schickt uns die Sonne ihre ersten Strahlen und sofort wird es warm. Wir entledigen uns erst mal unserer Jacken.

Zunächst ist der Weg bis zu den Soda Springs entlang des Flusses nur leicht ansteigend. Zwischen Tongariro und Ngauruhoe kommt es zu einem steilen Anstieg, dem so genannten Devil’s Staircase (Treppenhaus des Teufels), auf den eintausendsechshundert Meter hohen Sattel, von dort über den Südkrater bis zum höchsten Punkt des Wanderweges, dem eintausendachthunderteinundachtzig Meter hohen und immer noch aktiven Red Crater. Der Blick von hier oben hat etwas unwirkliches. Nach Süden schauen wir zum Vulkankrater mit seinen braun- und rot gefärbten Wänden hinauf. Nach Westen blicken wir auf den gelaufenen Weg hinab. Man kann die sich windenden Spuren der erkalteten Lavaströme erkennen. Der Blick nach Osten zeigt den immer noch aktiven Red Crater, der aussieht wie eine entzündete weibliche Vagina (empfand übrigens nicht nur ich so :). Westlich liegen etwa zweihundert Höhenmeter tiefer die Emerald Lakes, dessen milchig grüne sowie türkisene Farben einem das Staunen ins Gesicht schreiben.

Hinter den Emerald Lakes mit ihren schwefeligen Uferrändern fällt die Strecke entlang des Te wai-whakaiata-o-te-Rangihiroa, was auf Englisch Blue Lake heißt, zur Ketetahi-Hütte ab. Am Blue Lake machen wir eine längere Pause und genießen die Windstille. Hier kreuzt der Weg ein privates Grundstück mit heißen Quellen, dass Maoris gehört und von ungeladenen Gästen nicht betreten werden darf. Schließlich windet er sich auf den in achthundert Metern Höhe im Wald befindlichen Ketetahi Car Park hinunter. Die letzten drei Kilometer sind richtig zäh. Die Muskeln schmerzen langsam vom Abfangen des Körpergewichts. Damit die Kinder ohne Rucksack laufen können, tragen Eva und ich letztlich recht schwere Rucksäcke. Die Gefahr zu verhungern ist ja auch nicht zu unterschätzen :). Letztlich kommen wir erschöpft am Carpark an und lassen uns vom Bus zu unserer Cabin bringen. Ich lobe noch alle in höchsten Tönen, dass sie die mehr als neunzehn Kilometer geschafft haben. Ich erleide in den nächsten 7 Tagen einen meiner schmerzhaftesten Muskelkater, die ich je hatte. Tom springt am nächsten tag herum, als hätte er den letzten Tag ausgelassen. Tja, so ist eben. Man wird nicht jünger. Ich auch nicht. Leider :(.

 

 

Schule in Neuseeland – sooo entspannt!

Schule in Neuseeland ist nicht vergleichbar mit Schule in Deutschland oder in der Schweiz. Auf dem Land mit längeren Anfahrtszeiten gibt es sogenannte Area Schools. Sie gehen bis zum achten Schuljahr. In den Städten geht man auf die Primary School bis zum sechsten Schuljahr und danach für zwei Jahre auf die „Intermediate“. In beiden Fällen wechselt man danach auf das College oder auf die Highschool. Was genau der Unterschied ist, konnten mir die Leute, die ich gefragt habe, nicht so genau erklären. In Neuseeland wird keinen großen Wert auf das Lernen von Fremdsprachen gelegt. Im Allgemeinen kann man im College Maori oder Spanisch hinzu nehmen, muss man aber nicht. Das bedeutet, dass sehr viel mehr Zeit für anderes bleibt als an Schulen bei uns. Schule beginnt morgens gegen 9.00 Uhr und endet um 15.00 Uhr. Es gibt zwei große Pausen. Morningtee und Lunchbreak, insgesamt etwa eineinhalb Stunden. Es wird viel Wert auf Bewegung gelegt. Ich habe an der Primary von Emma und Tom Lehrpersonen gesehen, die mit ihrer Klasse nach etwa einer halben Stunde Unterrichtszeit wieder auf den Pausenhof gegangen sind, um ein Spiel zu machen. Dies ist so gut möglich, da die Gebäude einstöckig sind und deren Anordnung einen Hof bildet. Am Boden sind wie in einer Sporthalle Linien für verschiedene Sportspiele aufgezeichnet. Es stehen Basketballkörbe zur Verfügung.

Diese Art von Pausenhöfen gibt es derlei drei an der Primary. Dazu kommen weitere Spielplätze für die ganz Kleinen, die Jüngsten sind fünf Jahre alt, und für die Größeren. Da fällt es nicht schwer aktive Pausen zu gestalten. Dazu kommt an jeder Primary ein eigenes Schwimmbad, an der Nayland Primary sogar mit zwei Pools, einem mit flachem und einem mit tieferem Wasser, je zwischen 15 und 25 Metern Länge. In den Sommermonaten wird jeden Tag geschwommen. Die Gruppen, die morgens früh schwimmen müssen, haben es teilweise noch ganz schön kühl. Als das Wasser frisch eingefüllt wird, ist es Tom und Emma zu kalt zum Schwimmen. Sie erkälten sich erst mal ordentlich. Die Kiwis sind da abgehärteter. Sie tragen alle Schuluniform. Eine lange Hose ist jedoch nicht im Angebot. Sie laufen also ganzjährig in kurzer Hose oder kurzem Rock herum. Es ist jetzt Herbst, und an manchem Morgen ist es nicht mehr als 5 Grad. Einige kommen bei diesen Temperaturen sogar barfuß zur Schule. An Noah’s Intermediate ist das Gelände noch größer. Das Gebäude ist zwar höher und bildet nicht derartige Höfe, der Platz auf dem Pausenhof ist aber für unsereins kaum vorstellbar groß. Ich denke, es hätten gut drei Rugbyfelder Platz. Drumherum verläuft eine schuleigene Mountainbike-Strecke mit Hügeln und überbauten Kurven. Schuleigene Mountainbikes stehen für den kostenlosen Verleih zur Verfügung. Freitagnachmittag ist Sportnachmittag. Noah hat Mountainbiken gewählt und kann somit wöchentlich die Strecke befahren. Als er mit mir die Trails in den Bergen rund um Nelson befährt, bemerke ich, wie gut er geworden ist.

In der Mittagspause am Mittwoch und Donnerstag helfe ich an der Schule mit, in dem ich Volleyball anbiete. Es kommen regelmäßig etwa zwanzig Schülerinnen und Schüler, und wir haben viel Spaß miteinander. Im Allgemeinen versucht die Schule, Eltern in den Betrieb einzubinden, so oft und so viel es irgendwie geht. An beiden Schulen wird viel Wert auf die kreativen Fächer gelegt. Noah hat Werken, was er am Gymnasium in D nicht hat. Täglich ist eine „Klassenstunde“ im Stundenplan reserviert. Seine ist die Schule, mit der größten Anzahl an unterschiedlichen Herkunftsländern der Schülerinnen und Schüler auf der ganzen Südinsel. Noah’s Klassenkameraden stammen aus Myanmar, Fidschi, Nepal, Thailand, Australien, USA, Kolumbien, Großbritannien und natürlich Neuseeland. Im Englischunterricht beschäftigt sich Noah so oft mit „Poem“, also dem Gedichteschreiben  ohne feste metrische Struktur, dass es ihm schon fast zum Hals heraus hängt. „Jedoch“, sagt er, „ist das Tolle daran, dass man sich viele Gedanken über sich selbst machen muss und man dabei sehr kreativ wird.“ Am meisten freue er sich dennoch auf die Pause, sagt er. Da treffe sich ein harter Kern zum Fußball spielen. Er versteht mittlerweile sehr gut die Situationskomik und die dazugehörigen Sprüche, die beim Spielen so fallen. Auch hier ist sicher Kreativität gefragt.

Emma und Tom, sagen beide, es werde viel mehr Sport getrieben als an ihrer Schule zu Hause. Täglich mindestens eineinhalb Stunden. Alle finden, dass der Respekt gegenüber den Lehrpersonen größer sei als zu Hause. Sie sagen, dass die Schülerinnen und Schüler insgesamt ruhiger und ausgeglichener seien. Da bin ich doch froh, dass ich in Basel an einer Schule arbeite, die Bewegungspausen unterstützt. Ich nehme mir vor, das bestehende Bewegungskonzept noch besser umzusetzen und dessen Weiterentwicklung zu forcieren. Ich denke, dass das, was meine Kinder mir berichten, spricht Bände! Tom nimmt jeden Freitagmittag an einem Kurs teil, in dem ein Haka, das sind die spirituellen Tänze der Maori, einstudiert wird. Es macht ihm sehr viel Spaß. An Noah’s Schule hat man zusammen einen schuleigenen Haka geschrieben und einstudiert. Jede Schülerin und jeder Schüler lernt ihn innerhalb der beiden Schuljahre. Eva und ich sind tief beeindruckt, als wir vor den Ferien zufällig an eine Schülerversammlung auf dem Pausenhof kommen und etwa 400 Schülerinnen und Schüler gemeinsam diesen Haka tanzen und sprechen – schreien muss man schon eher sagen. Wir konnten das Zusammengehörigkeitsgefühl, was so über die Jahre entsteht, direkt spüren.

Wenn ich an das Schulsystem in Deutschland denke, ärgere ich mich. Ich frage mich, was mit den Schulfächern passiert ist, die die Schülerinnen und Schüler zu selbstständig denkenden und handelnden Menschen machen sollen. Warum werden sie immer weiter abgebaut? Warum müssen unsere Kinder am Gymnasium zwei Fremdsprachen lernen? Eine würde reichen! Eine zweite wahlweise, für die, die gerne Sprachen lernen! Stattdessen ein Fach wie Technik. Die Klassenstunden, wenn sie denn als solches genutzt werden, müssen ausgebaut werden! Nicht eine Stunde pro Woche, sondern 3! Nicht alle Schülerinnen und Schüler belegen Religion. Es wird dringend Zeit, dass die Schülerinnen und Schüler mehr darüber sprechen, wer sie sind, welches ihre Stärken sind, welches ihre Wünsche an das Leben sind. Das würde so ganz nebenbei die Grundlage für die berufliche Orientierung bilden. Natürlich sollten sie auch mehr darüber erfahren, woher die anderen kommen, aus welcher Kultur er oder sie stammt und welches ihre Wünsche und Vorstellungen sind. Ethische Fragen müssen viel stärker im Schulalltag diskutiert werden, damit ein gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Wertevorstellungen wachsen können. Dies kann über dies nur funktionieren, wenn alle bis mindestens zum neunten Schuljahr gemeinsam lernen würden. Alle! Der Hauptschüler und die Gymnasiastin, wenn möglich Menschen mit Behinderungen inkludiert! Nur dann kann wirklich gegenseitiges Verständnis wachsen, und wir hätten sicher wesentlich weniger rechtsgerichtete Menschen bzw. weniger fanatisch denkende Menschen als heute. Warum trennen wir in BW nach der vierten Klasse??? Wovor haben die Bildungsverantwortlichen Angst? Die Errungenschaften auf sozialer Ebene gehen meiner Erfahrung nach vielleicht etwas auf Kosten des Lernens auf gleichem Niveau. Na und? Wer nach dem neunten Schuljahr richtig Gas geben möchte mit dem Lernen und wer sich auf den Weg in Richtung akademische Laufbahn begeben möchte, kann und soll es tun.

Und noch etwas: Wer sagt denn, dass unsere Kinder neuerdings in acht Schuljahren durch die gymnasiale Schulzeit preschen müssen? Die Neuseeländer sind da viel entspannter. Letztens habe ich Tom gefragt, ob er denn nun schon etwas Mathematik gehabt habe. Er hat mir geantwortet: „Nein, Papa. Wir hatten noch keine Zeit dazu!“ „Gut so!“ sage ich. Noah, der hier in die achte Klasse geht, kam eines Tages nach Hause und erzählte mit Ironie gespickter Stimme: „Papa, heute haben sie in Mathe etwas ganz neues gelernt. Sie haben gelernt, wie man den Durchschnitt aus fünf Zahlen berechnet.“ Das scheint etwas extrem. Der Vergleich in der Pisa Studie im Jahr 2015 zeigt tatsächlich, dass Neuseeland in Mathematik fünf (mickrige) Plätze hinter Deutschland auf Rang einundzwanzig liegt. In den Naturwissenschaften rangieren sie indes auf dem zwölften Rang drei Ränge vor Deutschland. Was das Leseverständnis angeht, sind sie mit Deutschland gleichauf auf Rang zehn. Man kann solche Vergleiche sicher immer kritisch hinterfragen. Ich versuche, die Ergebnisse zumindest ein wenig ernst zu nehmen. Meine Interpretation ist, dass neuseeländische Schülerinnen und Schüler mit viel weniger Druck und viel weniger „lerning for the test“ sich ganz entspannt auf sehr ähnlichem Niveau wie deutsche Gleichaltrige bewegen. Also, warum dieser Stress??? Ein wenig mehr Entspannung und einige grundlegende Veränderungen in der Bildungspolitik täten doch wirklich gut. Die Idee mit den Gemeinschaftsschulen war doch prima, aber dann doch bitte eine Gemeinschaftsschule für alle Schülerinnen und Schüler und zwar flächendeckend in ganz Baden-Württemberg, am besten gleich in ganz Deutschland. Und ja! Auch die Gymnasiasten, die als solche ja schon nach dem vierten Schuljahr feststehen, gehören zu unserer Gemeinschaft!!!

Und jetzt entspanne ich mich wieder. Ganz wie die Neuseeländer. Oohhmm!!!

 

 

Heaphy Track

Charles Heaphy war einer der Entdecker des Gebietes entlang des nach ihm benannten Heaphy Tracks. Maoristämme haben früher entlang dieses Weges nach Jadesteinen gesucht und ihn als Transport- und Wanderweg genutzt. Im neunzehnten Jahrhundert haben eingewanderte Europäer in dem Gebiet zwischen Golden Bay im Osten und der Westküste links und rechts des Weges nach Gold gesucht. Aldrige, MacKay, Clark und Saxon waren bekannte Goldsucher und letzterer Landvermesser, die den Weg richtig angelegt hatten. Nach ihnen sind heute noch einige Hütten benannt, die als Übernachtungsmöglichkeiten gebucht werden können. Als nach Jahren immer noch kein Gold gefunden werden konnte, wurde der Weg nur noch von einigen Jägern begangen und geriet etwas in Vergessenheit. Erst nachdem ein großräumiges Gebiet, das vom Heaphy Track durchquert wird, zum Nationalpark erklärt wurde, bekam der Weg wieder mehr Aufmerksamkeit. Mittlerweile wird er ganzjährig von tausenden von Wandersleuten und in den Herbst- und Wintermonaten auch von Mountainbikern begangen bzw. befahren. Heute gehört er zu den „Great Walks“, den beliebtesten und schönsten Wanderwegen Neuseelands. Was den Heaphy Track so wunderschön macht, sind die unterschiedlichen Landschaften, die man in drei bis fünf Tagen durchwandert. Mit dem Mountainbike benötigt man in der Regel zwei Tage.

Ich mache mich zusammen mit einem holländischen Freund, auf, diesen traumhaft schönen Landstrich zu erkunden. Sander und seine Frau, Rolien, sind wie wir mit drei Kindern in Neuseeland. Boris, Oscar und Nicholas gehen einen Term lang mit Emma und Tom zur Schule. Wir treffen sie öfter in unserer Freizeit. Sie sind zu Freunden geworden.

Der Heaphy-Bus holt mich um viertel nach sieben am Busbahnhof in Nelson ab. Sander steigt am Flughafen zu. Etwa vier Stunden dauert die Fahrt, bis wir an der Brown Hut, etwa vierzig Kilometer entfernt von Collingwood landeinwärts in „the middle of nowhere“ ankommen. In vier Tagen wollen wir den achtundsiebzig Kilometer langen Weg bis zum Kohaihai River, der in die Tasman See mündet, laufen. Dort wird ein Bus auf uns warten, der uns zum Flughafen in Karamea bringt, von wo aus wir mit einem Kleinflugzeug zurück nach Nelson fliegen. Da am Abend unserer Rückkehr ein Schulfest an der Nayland Primary School gefeiert wird, sparen wir uns die sechsstündige Busfahrt nach Nelson. Der halbstündige Flug wird sich als einer der schönsten Flüge herausstellen, die ich je gemacht habe.

Der erste Tag ist geprägt von einem sachten, aber stetigen Aufstieg über fünfzehn Kilometer zum Perry Saddle, wohinter recht bald die gleichnamige Hütte steht. Die Landschaft ist von dichtem, alpinem Urwald bedeckt. Einige Ausblicke gibt es, von wo aus man die tiefen Täler und die bis zu zweitausend Meter hohen Gipfel der Umgebung betrachten kann. Die achthundert Höhenmeter sind angenehm zu laufen. Und doch merke ich sie am nächsten Tag. Mein siebzehn Kilogramm schwerer Rucksack könnte doch etwas leichter sein. Gut ist, dass er von Tag zu Tag ein „Bisschen“ leichter wird. Wir entscheiden uns, in Hütten zu schlafen, da Sander niemals vorher eine Wanderung im Zelt unternommen hat. Auch ich bin froh, dass mir das Tragen der zusätzlichen Last erspart bleibt. Der Nachteil an Hütten ist, dass man in der Regel nicht so gut schläft. Der eine wills warm im Zimmer, die andere kalt. Man wird von Schnarchern oder von Frühaufstehern geweckt, die sich schon um fünf Uhr auf den zweieinhalb Stunden später stattfindenden Sonnenaufgang vorbereiten müssen.

Der Weg von der Perry Saddle Hütte bis zur James McKay Hütte führt über sogenannte Gouland Downs, eine überwiegend baumfreie Gras- und Buschlandschaft, die da liegt wie ein weiches Daunenbett, durchzogen von vielen kleinen und großen Wasserwegen, die dieses riesige Hochmoor mit Wasser versorgen. Zwischendurch laufen wir durch einen Märchenwald, in dem wir mehrere Höhlen finden. Sie scheinen verwunschen, mit Moosen bedeckt und von tausenden riesigen Spinnennetzen verschlossen. Dieses Gebiet war Drehort für die Hobbitverfilmung. Einen besseren Ort kann man nicht finden. Kurz vor der MacKay Hütte erblickt man weit unten im Tal durch eine kleine Öffnung die Tasman See. Man kann das Meer förmlich riechen. Obwohl wir noch über siebenhundert Höhenmeter und etwa fünfzehn km Luftlinie entfernt davon sind.

Nach einer suboptimalen Nacht und mit einem kräftigen Porridge-Frühstück, das Sander beinahe zum Überlaufen bringt, machen wir uns auf den Marsch ins Tal. Ebenso stetig und nicht steil geht es hinab zuerst zur Lewis Hütte und weiter bis zum Meer, wo die Heaphy Hütte auf uns wartet. Diese Strecke ist fantastisch. Eine Vielfalt an Vögeln, die man nur auf Neuseeland findet, bekommen wir zu Gesicht. Robins und Fantails flattern um uns herum. Wir müssen aufpassen, dass wir keinen platt treten. Sander hält einen Stock nach vorn gestreckt in seiner Hand. Ein Fantail setzt sich darauf und begleitet uns einige Hundert Meter. Immer wieder davon flatternd aber dann wieder zurückkehrend. Es ist ein Schauspiel. Wekas rascheln in den Blättern des Unterholzes. Tuis, Tomtite, Birkenzeisige und andere einheimische Vögel singen um die Wette. Die Moosschichten werden immer dicker. Die Feuchtigkeit des Regenwaldes an der Westküste öffnet die Poren meiner Haut. Hier kann es an einem Tag schon mal sechshundert Liter!!! regnen. Wir haben es zum Glück nicht erlebt. In den vergangenen Wochen ist es aber mehrmals vorgekommen. Ganze Autobrücken hat es mitgerissen. Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten. Der Boden hat das Wasser gespeichert. Es ist so feucht, dass es überall von überstehenden Wegrändern herunter tropft. Wir gehen getrennt von einander, um die Ausblicke auf den Heaphy River und die anderen schönen Momente noch besser genießen zu können, ohne Worte. Ich bin froh, nicht so viel zu sprechen. Auch wenn ich mittlerweile oft auf Englisch denke und träume, ist es immer noch gebrochen, und längere Gespräche ermüden mich, auch wenn ich mich sehr gut mit Sander verstehe. Nachdem ich die Lewis Hütte hinter mir gelassen habe, laufe ich mitten hinein in den Küstenurwald. Die Bäume werden riesig. Über eintausend Jahre alte riesige Rimu-Bäume ragen bis zu siebzig Meter in den Himmel, ebenso hoch wie ihre Äste weit sind. Wunderschöne Nikaupalmen verschatten den Weg, lassen aber doch genug Licht hindurch, sodass das Spiel der Gegensätze eine verzaubernde Wirkung hat. Ein wenig bin ich an Tahiti erinnert. Der Heaphy Fluss mündet an gleichnamiger Hütte ins Meer. Tausende Tonnen Treibholz liegen auf der Sandbank. Sie werden mitgerissen, wenn es die extremen Regenfälle hat, ins Meer hinaus- und wieder an Land gespült. Jeder einzelne könnte eine lange Geschichte erzählen. Sander kommt etwas nach mir an. Er ist glücklich und dankbar, den Tag über alleine gelaufen zu sein. In Gedankenwelten sei er versunken wie schon lange nicht mehr, seit sie Kinder haben, berichtet er mir, und er fragt mich etwas verstohlen, ob ich auch manchmal Selbstgespräche führen würde. Ich antworte ihm, ich sei mein bester Gesprächspartner. Wir lachen und genießen den Sonnenuntergang.

Am letzten Tag laufen wir entlang der steil zum Meer abfallenden Westküste. Der Weg führt durch Palmenwälder, vorbei an Sand- oder Kieselstränden und über kleinere und größere Flüsse, die meist auf Hängebrücken überquert werden können. Fast die ganze Zeit über hört man das Rauschen des Meeres. Manchmal ist es sanft, ein anderes mal tosend, abhängig von der Flut und von der Beschaffenheit der Küste. Wendet man den Blick gen Westen, realisiert man, dass die nächste Küste etwa eintausendsechshundert Kilometer entfernt liegt. Pazifischer Ozean, soweit das Auge reicht. Als wir den Kohaihai Fluss überqueren, sehen wir den Parkplatz, an dem wir vom Bus abgeholt werden. Ich bin traurig, da ich aus einem Rhythmus gerissen werde, in dem ich gerne noch ein paar Tage länger geblieben wäre, aber auch ein wenig froh, da ich nach diesem langen Marsch doch mehr muskuläre Probleme habe, als mir lieb ist und als ich gedacht hätte. Man wird eben nicht jünger, muss ich wieder einmal feststellen. Danke Sander, dass Du mich begleitet hast. Danke, Eva, Noah, Emma und Tom, dass ihr mich habt ziehen lassen, und ich diese unvergessliche Tour erleben durfte.

 

Die folgender Fotos sind in guter aber leider nicht in den gewohnten sehr guten Qualität, da ich nicht auch noch meinen schweren Fotoapparat mitschleppen wollte. Sie sind mit dem Smartphone gemacht. Dank auch an Sander für die zur Verfügung gestellten Fotos.